Pressemitteilung zu den geplanten “Lernferien” der Senatorin für Kinder und Bildung

Bremen, den 27. Juni 2020

Wir, die Gesamtschüler*innenvertretung Bremen, beziehen im Folgenden Stellung zu dem geplanten Vorhaben „Lernferien“. Dabei ist anzumerken, dass die GSV die Interessenssvertretung für Schulen der Sekundarstufe 1 und 2 ist, obwohl sich das Konzept vorrangig auf Grundschüler*innen konzentriert.  

Grundsätzlich begrüßen wir die Idee eines zusätzlichen Lernangebotes für Schüler*innen, jedoch halten wir das bisherige Konzept für nicht sonderlich zielführend und nachhaltig. Dennoch sehen wir in dem geplanten Lernangebot positive Aspekte. 

Einer dieser Aspekte ist, dass das dadurch entstehende Betreuungsangebot für Schüler*innen Erziehungsberechtigte entlasten kann, die durch die Corona-Pandemie ihre Urlaubstage bereits aufbrauchen mussten.

Ebenfalls positiv anzumerken ist, dass durch die ausgewählten Orte sich Schüler*innen unterschiedlicher Schulen kennenlernen und vernetzen können. In den Grundschulen sollen zum Teil ausgebildete Pädagog*innen eingesetzt werden, dadurch bekommen die Schüler*innen die Möglichkeit, Ansprechpersonen auch außerhalb ihres familiären Umfeldes in Anspruch zu nehmen und es kann besser auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler*innen eingegangen werden.

Allerdings wäre es in unseren Augen sinnvoll, wenn Lehrkräfte auch in den Ferien für die Schüler*innen erreichbar sind, damit sie bei inhaltlichen Fragen oder anderen Anliegen unterstützen können. Dabei sehen wir die zusätzlichen Belastungen der Lehrkräfte durch die aktuelle Situation, bedingt durch die Corona-Pandemie, jedoch gilt Gleiches für Schüler*innen. Diese Umstände erfordern zusätzliche Maßnahmen und besonderes Engagement, auch seitens der Lehrkräfte. 

Die Lernferien als Maßnahmen erscheinen uns zu kurz gedacht. Die Corona-Krise kombiniert mit dem Leistungsdruck, dem die Schüler*innen sowieso in dem Schulsystem ausgesetzt sind, führt zu einer belastenden Drucksituation. Schüler*innen, deren Leistungen sich durch die Corona-Krise verschlechterten, werden nun dafür bestraft, dass sie unter dem Leistungsdruck untergehen. Sie sollen ihre Sommerferien opfern, damit nächstes Jahr wie gewohnt fortgeführt werden kann. Dabei bräuchte es eine grundlegende Reform im Schulsystem, damit Schüler*innen entlastet werden. Eine ganzjährige psychologische Unterstützung und mehr Personal an Schulen, die es möglichen machen Schüler*innen langfristig und ohne Belastung zu bilden, würden ein Anfang sein. 

Ein großes Problem sehen wir zudem in der Umsetzung dieses Angebotes, da die Lernferien durch die begrenzte Anzahl der Schüler*innen nicht mehr als Symbolpolitik sind. Nur knapp über fünf Prozent der Schüler*innen der Stadtgemeinde Bremen der Primar- und Sekundarstufe 1 können das Angebot somit wahrnehmen. Zielführender wären erweiterte Kapazitäten, sodass mehr Schüler*innen das Angebot der Lernferien wahrnehmen können. 

Zudem kritisieren wir, dass die Entscheidungsgewalt nicht bei den Schüler*innen liegt. Lehrende und Erziehungsberichtigte wählen die Schüler*innen aus, die an den Lernferien teilnehmen sollen. Wir fragen uns, wieso sie dann als „freiwillig“ gelten. Schüler*innen zu drängen, ihre Sommerferien mit Lernen zu verbringen führt in unseren Augen zu Frustration und schadet dem vorangestellten Gedanken der Lernferien, helfen zu wollen.  

Mit den Lernferien sollen Schüler*innen aus sozial schwächeren Haushalten angesprochen werden. Schüler*innen, die im Leistungskampf benachteiligt sind und im Vergleich „schlechtere“ Ergebnisse erzielen. Während den Umstellungen in der Schule zu Corona Zeiten wurden diese plötzlich auf sich alleingestellt. Digitaler Unterricht benötigt Endgeräte, Internetverbindung und Lernräume, welche häufig nicht gegeben sind. Mit den Lernferien sollen nun diese Leistungsunterschiede bekämpft werden. Dabei wird die Problematik als gegeben akzeptiert und die Kausalität übergangen. Diese Ungleichheiten können jedoch nur durch eine grundlegende Reform verändert werden. 

Im aktuellen Umgang mit der Bekämpfung der Symptome könnten wir noch mit folgenden Ideen ergänzen: Jede*r Schüler*in muss digitale Geräte und der ganzjährige Zugang zu angemessenen Lernraum möglich gemacht werden. Einzig digitale Kompetenzen zu erlernen nützt schließlich auch nichts, wenn der Zugang zu digitalen Plattformen verwehrt bleibt. 

Grundlegend begrüßen wir die Absicht, Schüler*innen in dieser Krise verstärkt zu unterstützen. Jedoch liegen die Ungleichheiten der Leistungsergebnisse tiefer verwurzelt und können nur durch eine grundlegende Reform des Bildungswesen verändert werden. Die Lernferien als oberflächliche Maßnahme würde hier zwar helfen, ist in unseren Augen aber zu kurz gedacht. 

Quellen (Stand: 27.6.2020):

– https://sd.bremische-buergerschaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZXXu2vXXY1pIZXsQ_DK6bcgF0I3azLUqScPWK-XGodgd/Oeffentliche_Sitzungsunterlagen_Staatliche_Deputation_fuer_Kinder_und_Bildung_-_20._WP_01.07.2020.pdf

– https://www.bildung.bremen.de/schuelerzahlen-4372